Automatisiertes Drehfräszentrum in der Energietechnik

Extrem flexibel und autonom

Das Siemens-Schaltwerk in Berlin fertigt die Komponenten von Vakuum-Schaltröhren bevorzugt auf Produktionsdrehautomaten und automatisierten Drehfräszentren von Index. So wissen zwei bauteilflexible ‘G200.2‘ dank ihrer robotergestützten Autonomie zu begeistern.
7. März 2024
1
Für den autonomen Betrieb des Index-Drehfräszentrums ‘G200.2‘ sorgt im Siemens AG Röhrenwerk Berlin unter anderem das angedockte ‘iXcenter‘ mit 6-Achs-Roboter© Index
Die Siemens AG ist ein Technologieunternehmen mit Fokus auf die Felder Industrie, Infrastruktur, Mobilität und Gesundheit. Das weitreichende Produktspektrum enthält unter anderem ein durchgängiges Portfolio an Schaltanlagen und Geräten zum Betrieb von Mittelspannungsnetzen, die in unterschiedlichsten Anwendungen benötigt werden: in Kraftwerken und Umspannanlagen, in Ortsnetz-, Transformator- oder Übergabestationen, auf Schiffen und in Zügen.
Ein ‘Topseller‘ ist die sogenannte Vakuum-Schalttechnik, die in luftisolierte Schaltanlagen eingebaut wird. Zu deren Kernkomponenten gehören hermetisch dichte Vakuum-Schaltröhren, wie sie im Siemenswerk in Berlin entwickelt und hergestellt werden. Entscheidender Vorteil einer solchen Vakuum-Schaltröhre: die über den gesamten Produktlebenszyklus gleichbleibend hohe Qualität, die eine verlässliche, sichere Energieverteilung gewährleistet.
Rolf-Peter Gust ist Abteilungsleiter der Vorfertigung dieser Vakuum-Schaltröhren am Berliner Standort, wo wichtige Teile ihres Innenlebens produziert werden. Er erklärt: „Wie fertigen hier Kontaktstäbe und -scheiben, die wir zusammen mit anderen zugekauften Komponenten verbauen. Für die hohe Verfügbarkeit und lange Lebensdauer der Vakuum-Schaltröhren sind vor allem die Kontaktscheiben verantwortlich, für die wir das Material, eine Kupfer-Chrom-Legierung, selbst herstellen. Im Zusammenspiel mit konstruktiven Details sorgt dies für hohes Kurzschluss-Schaltvermögen und minimalen Durchgangswiderstand. Kurz gesagt, es macht unsere Vakuum-Schaltröhren extrem leistungsfähig.“
Für größere Kontaktstäbe werden vorgeformte Kupferrohlinge eingesetzt (links); diese werden auf der Index G200.2 in einem Arbeitsgang fertig gedreht, gefräst und gebohrt (rechts)© Index

Qualitätsprodukte entstehen auf Qualitätsmaschinen

Für die spanende Bearbeitung dieser Kontaktscheiben und der Kontaktstäbe, von denen jede Vakuum-Schaltröhre eine feste und eine bewegliche Ausführung enthält, ist Fertigungsbereichsleiter Eric Köhler verantwortlich. Er koordiniert sein Zerspanungsteam und den Maschinenpark, der mit zwölf Produktionsdrehautomaten und Drehfräszentren ausgestattet ist – alle vom Premiumhersteller Index aus Esslingen: „Wir arbeiten schon sehr lange erfolgreich mit Index zusammen“, erklärt Köhler. „Zwar beziehen wir bei jeder Neuinvestition auch andere Anbieter mit ein, aber letztendlich haben wir uns immer wieder für Index entschieden. Hier bekommen wir die erforderliche Leistungsfähigkeit – gepaart mit einer Siemens-Sinumerik-CNC, was für uns auch ein entscheidendes Kriterium ist.“
Den Hauptanteil am Produktionsvolumen bestreiten derzeit zwei meist dreischichtig arbeitende Fertigungslinien mit jeweils fünf Maschinen. Diese sind mit Produktionsdrehautomaten des Typs ‘C100‘ sowie und Drehfräszentren des Modells ‘G160‘ ausgestattet. „Diese Maschinen ermöglichen uns eine sehr flexible, wirtschaftliche Bearbeitung“, urteilt Eric Köhler, „auch bei unseren nicht einfach zu bearbeitenden Werkstoffen.“
Kupfer, aus dem die Kontaktstäbe hergestellt werden, neigt zu langen Spänen, die sich zu Knäuel verbinden und dann den Zerspanungsprozess behindern und die Oberflächen beschädigen können. „Hierfür bietet uns Index mit der zyklusintegrierten Spänebruch-Software ChipMaster eine sehr praktische Unterstützung“, freut sich Köhler. „Sie optimiert den Spänebruch bei variablem Vorschub.“
„Automatisierung ist für uns in der Vorfertigung eine Notwendigkeit. Nur so können wir die Qualität und wirtschaftliche Produktion der Kontaktstäbe und -scheiben sicherstellen“, sagt Fertigungsbereichsleiter Eric Köhler (links); auch Facharbeiter Fatih Ates und Index-Gebietsverkaufsleiter Eric Leinung (rechts) freuen sich über die Arbeitsergebnisse am Drehfräszentrum G200.2© Index

Die Flexibilität ist nahezu unschlagbar

Das Non-plus-ultra an Flexibilität bieten die beiden autonom arbeitenden Drehfräszentren ‘G200.2‘, die mit der Roboterzelle ‘iXcenter‘ ausgestattet sind, beides aus der Hand von Index. „Automatisierung ist für uns eine absolute Notwendigkeit“, davon ist Eric Köhler fest überzeugt. „Denn erstens gibt es zu wenig Fachkräfte. Obwohl wir selbst ausbilden, klafft da eine Lücke. Zweitens müssen wir wirtschaftlich konkurrenzfähig bleiben, und das klappt nur mit mitarbeiterarmen Schichten.“
Diese Erkenntnis ist in der Vakuum-Schaltröhren-Vorfertigung nicht neu. Die Automatisierung ist dort schon vor vielen Jahren eingezogen. Bereits 2008 statteten die Verantwortlichen ihre damaligen Index-Drehautomaten ‘C65‘ mit einem Beladesystem aus. Die heute noch aktiven Drehfräszentren ‘G160‘ wiederum erhielten vor fünf Jahren Unterstützung von UR-Robotern.

Maschine und Roboterzelle aus einer Hand

Zu beliebigen Zeitpunkten kann der Maschinenbediener – ohne Produktionsunterbrechung – den Vertikalspeicher im oberen Speicherbereich mit Rohteilpaletten beladen und die Paletten mit Fertigteilen aus dem unteren Speicherbereich entnehmen© Index
Vor fünf Jahren entschlossen sich die Verantwortlichen der Vorfertigung in besagte Drehfräszentren G200.2 samt integrierten iXcentern zu investieren. Gesucht hatten sie eine Lösung um Spitzenlasten abfangen und eilige Aufträge zeitnah erledigen zu können. „Unser Bauteilespektrum ist groß. Die Kontaktscheiben unterscheiden sich in Kontur, Dicke und Durchmessern bis zu 40 mm“, erklärt Eric Köhler. „Von den Kontaktstäben fertigen wir 50 bis 60 Varianten aus Stangenmaterial, dazu rund 25 aus unterschiedlichen, vorgefertigten Rohlingen. Hierzu sind Dreh-, Fräs- und Bohrarbeiten erforderlich.“
Für die Drehfräszentren kein Problem: 65 mm Spindeldurchlass, 165 mm Spannfutterdurchmesser und 660 mm Drehlänge genügen selbst für die großen Kontaktstäbe und -scheiben. Die drei Werkzeugträger (jeweils 14 Stationen) mit Y-Achse sind an Haupt- und Gegenspindel einsetzbar. Eine Besonderheit ist die leistungsstarke Frässpindel, die eine 360°-B-Achse, Drehzahlen bis 7200 min-1, 22 kW Leistung sowie 52 Nm Drehmoment einbringt. Sie gewährleistet anspruchsvolle Bohr- oder Fräsbearbeitungen – ohne den Einsatz angetriebener Werkzeughalter. Mit ihrer HSK-A40-Aufnahme bedient sie sich im Pick-up-Verfahren aus dem integrierten Werkzeugmagazin mit sechs Plätzen. Eric Köhler ist begeistert: „Mit der G200.2 und ihren technischen Fähigkeiten unterbieten wir die bisherigen Prozesszeiten um bis zu 33 Prozent. Außerdem senken wir durch die große Werkzeuganzahl die Rüstzeiten.“
Wissenswertes über Mittelspannung
Was den Weg von der Stromerzeugung bis zum Verbraucher anbelangt, schaffen es meist nur Stromtrassen und Hochspannungsleitungen in die öffentliche Diskussion. Dass ein wesentlicher Teil der Stromverteilung mit Mittelspannung bestritten wird, ist relativ wenig bekannt. Zur Info: Als Mittelspannung bezeichnet man den Bereich über 1 kV bis einschließlich 52 kV (Wechselspannung). Niederspannung ist bis einschließlich 1 kV Wechsel- bzw. 1,5 kV Gleichspannung definiert, und Hochspannung liegt über 52 kV.
‘Eine integrierte Mittelspannungs-Stromverteilung ist die Basis für grüne Städte, energieeffiziente Infrastrukturen, Gebäude und industrielle Anwendungen sowie höchste Versorgungssicherheit‘ – so ist es auf der Homepage der Siemens AG nachzulesen, einem der weltweit führenden Unternehmen der Energietechnologie. Unter https://new.siemens.com/de/de/produkte/energie/mittelspannung.html finden sich auch weitere Informationen zum Siemens-Portfolio für Mittelspannungs-Stromverteilung und Vakuum-Schalttechnik.

iXcenter von Index ermöglicht stundenlangen autonomen Betrieb

Für den autonomen Betrieb des Drehfräszentrums sorgt die installierte Automatisierung, die ganz nach Bedarf eingesetzt werden kann. Denn die G200.2 ist nicht nur mit erwähntem iXcenter ausgestattet. Sie verfügt zusätzlich über einen Kurzstangen-Ladeautomat und eine integrierte Portalabnahmeeinrichtung mit Transportband.
Doch zunächst zur Roboterzelle, die an die Maschine angedockt ist: Sie kann während des Rüstvorgangs einfach verschoben werden und erlaubt so einen ungehinderten Zugang zum Arbeitsraum. Im Produktionsbetrieb wird das iXcenter vor dem Maschinenarbeitsraum fixiert. Zugang zum Arbeitsraum der Maschine erhält der 6-Achs-Roboter über die Schiebehaube der Maschine, die sich hinter der Roboterzelle automatisch öffnet. Zu beliebigen Zeitpunkten kann der Maschinenbediener – ohne Produktionsunterbrechung – den Vertikalspeicher im oberen Speicherbereich mit Rohteilpaletten beladen und die Paletten mit Fertigteilen aus dem unteren Speicherbereich entnehmen.
Das iXpanel integriert die neueste Steuerungsgeneration Siemens S840D sl. Es stellt dem Bediener jederzeit alle relevanten Infos für eine wirtschaftliche Fertigung direkt am Drehfräszentrum G200.2 zur Verfügung© Index

Die Komplettlösung hat von Beginn an überzeugt

Eric Köhler und seine Kollegen waren von Beginn an von diesem Konzept überzeugt, sodass sie schließlich sogar zu den ersten iXcenter-Kunden für Index gehörten. „Wir haben vom Start weg sehr positive Erfahrungen gemacht“, bestätig Köhler. „Allerdings, so unsere zwischenzeitlichen Erfahrungen, sind die 7 kg maximale Traglast des Roboters etwas knapp bemessen, sodass wir am Überlegen sind, diesen gegen einen 12-kg-Roboter auszutauschen.“
Der Siemens-Fertigungsbereichsleiter weist noch darauf hin, dass die Anzahl der einsetzbaren Paletten von der Bauteilgröße abhängen. „Aus Sicht des autonomen Betriebs ist es ideal, wenn wir kleine Kontaktstäbe aus Stangenmaterial fertigen und diese dann mittels Roboter im Palettenmagazin ablegen. So können wir acht bis zwölf autonome Betriebsstunden erreichen. Bei größeren Kontaktstäben, die wir aus vorgeformten Rohlingen herstellen, lassen sich für Roh- und Fertigteile nur jeweils vier oder fünf Paletten mit je zwölf Plätzen einsetzen. Damit liegen wir bei guten vier Stunden bedienerfreiem Betrieb.“
Eine weitere Möglichkeit ist es, den Roboter für Einlegeteile zu nutzen und die Fertigteile mittels Abnahmeeinrichtung und Transportband aus der Maschine zu befördern. „Mehr Flexibilität geht nicht“, kommentiert Eric Köhler.
Information & Service

Anwender

Siemens AG Röhrenwerk Berlin
13629 Berlin
Tel. +49 30 5859–0
www.siemens.com

Hersteller

Index-Werke GmbH & Co. KG Hahn & Tessky
73730 Esslingen
Tel. +49 711 3191–0
www.index-group.com

Unternehmens­information