Drehwerkzeuge
Florett statt Bazooka
Um die vor allem beim Drehen kritische Wärme aus der Wirkzone zu bringen, bedarf es nicht immer großer Fluidvolumina. Wie man Schneiden intelligent und hoch präzise kühlen kann, verdeutlicht ein konstruktives Prinzip von Arno Werkzeuge, das die additive Fertigung nutzt.
28. April 2021
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Obwohl beim Drehen ein Großteil der Wärme über die Späne abgeleitet wird, herrschen in der Schneidzone enorme Temperaturen, die dem Schneidwerkzeug zu schaffen machen. Je nach Werkstoff, Zustellung und Drehzahlen sind das von 300 bis 1000 °C und mehr. Das aktiviert thermische Vorgänge, die das Schneidwerkzeug schneller verschleißen lassen. In Extremfällen ›verbrennt‹ es nach kurzer Zeit. Nun können eine scharfe Schneide und eine an den Prozess angepasste Schnittgeschwindigkeit zwar vordergründig Abhilfe schaffen, das erhöht aber entweder dauerhaft die Kosten oder senkt die Produktivität.
Deshalb wird gekühlt. Dabei entspricht jedoch die weit verbreitete externe Kühlung eher einer Bazooka, also als wenn man mit Kanonen auf Spatzen schießt, sodass die Wirkung verpufft. Denn mit relativ unpräzisem und unkontrolliertem Einschütten von Kühlschmierstoff in den Schneidprozess kühlt dies eher die wegfliegenden Späne anstatt die Werkzeugschneide. Oftmals entsteht durch die großen Temperaturunterschiede an der Schneide ein Thermoschock, der sie ausbrechen lässt.
Das Abstechwerkzeug wird in die ›Kühlmittel-Zange‹ genommen
Eine Innenkühlung wirkt dagegen wie ein elegantes Florett. Hier gelingt es den Werkzeugherstellern, durch clever gestaltete, hochfeine Kanäle, den Kühlschmierstoff direkt in die Schneid- und damit in die Problemzone zu führen. So hat das Patentamt den Hersteller Arno Werkzeuge dafür ausgezeichnet, dass sein Arno Cooling System (ACS) es schafft, den Kühlschmierstoff gezielt und fein dosiert optimal über zwei Kanäle, von oben und von unten, direkt an die Schneide zu bringen.
Das bewährte ACS hat der Hersteller für das Abstechen in zwei Varianten entwickelt. Als ACS1 mit einem Kühlkanal wird der Kühlmittelstrahl am Plattensitz entlanggeführt und tritt direkt an der Schneidzone aus. So wird der Span wirkungsvoll unterspült und optimal aus der Schneidzone abgeführt. Der Verschleiß sinkt signifikant, und die Standzeiten der Abstechwerkzeuge verlängern sich ebenso deutlich.
Bei der Variante ACS2 wird zusätzlich zum Kühlmittelkanal am Plattensitz ein zweiter strömungsoptimierter Kühlstrahl von unten an die Freifläche der Stechplatte geführt. Dieser Kanal endet bei der aktuellen Weiterentwicklung in einer dreieckigen Form. So gelangt das Kühlmittel über die volle Breite der Stechplatte bis zum äußersten Rand der Schneide.
Additive Fertigung eröffnet bisher ungeahnte Möglichkeiten
Und auch die Handhabung vereinfacht sich. Wird bei externer Kühlung die Zufuhr nach Augenschein mehr oder weniger optimal eingestellt, trifft der intern geführte Kühlmittelstrahl – ohne ihn mühsam einstellen zu müssen – stets präzise dort auf, wo er die größte Wirkung entfalten kann: auf Schnittzone und Freifläche. Die Gefahr von Aufbauschneiden und Ausbrüchen an der Schneidkante schwindet.
Möglich geworden ist dies unter anderem deshalb, weil Arno zur Herstellung der weiterentwickelten Abstechmodule auf das additive Verfahren setzt. Dadurch lässt sich erstmals auch eine dreieckige Form herstellen, die den Kühlmittelstrahl exakt so formt, dass bis zum äußersten Rand des Freiwinkels die maximale Kühlwirkung bei minimalem Verbrauch erzielt wird. Diese optimalen Kühlbedingungen ermöglichen außerdem weitere Optimierungen wie eine Reduktion der Stechbreiten. Und dass ein Millimeter weniger im Abstechwerkzeug beispielsweise bei 20 Maschinen und 220 Maschinentagen die Kosten pro Jahr um mehr als 400 000 Euro senken kann, lässt sich schnell ermitteln.
Der Anwender kann mit dem ACS2 von Arno Kühlschmiermittel an Stellen bringen, die bislang nicht erreichbar waren. Weil der Span auf diese Weise unterspült wird, bricht er optimal und wird zielgerichtet deutlich besser aus der Schneidzone abgeführt. Die Späne sind kürzer als üblich und kleben nicht mehr an der Schneide fest. Messungen bescheinigen dieser Art der Kühlung eine Reduzierung der Temperatur auf etwa die Hälfte. Infolgedessen ist das Werkzeug lange nicht mehr so gestresst wie bisher, und der Verschleiß an den Freiflächen reduziert sich deutlich.
Anstatt Schnitt- und Vorschubwerte senken zu müssen, um das Werkzeug zu schonen, können die Werte nun sogar erhöht werden. Die Produktivität steigt, weil die Werkzeugstandzeiten erheblich ansteigen. Anwender berichten, dass ihre Werkzeuge bis zu dreimal länger halten als sonst, mindestens aber doppelt so lange. Eine reduzierte Anzahl von Werkzeugwechseln entlastet zudem das Bedienpersonal. Und welch hohe Kosten aufgrund still stehender Werkzeugmaschinen so vermieden werden können, bedarf keiner Erwähnung.
Das Plug-and-Play-System erleichtert die Installation
Und auch bei anderen Drehoperationen müssen Anwender nicht auf die zielgerichtete Kühlung verzichten. Wird der passende Klemmhalter verwendet, führen integrierte Kanäle auch hier das Kühlmittel nah in die Schneidzone. Dafür sind keine aufwendigen Einstellungen nötig, denn das Plug-and-Play-System passt immer. Optional bietet der Hersteller eine auf diese Klemmhalter abgestimmte VDI-Aufnahme an, die das Kühlmittel ohne Schlauchverbindungen in den Halter bringt.
Selbst beim Langdrehen auf Automaten mit häufig zu wechselnden Werkzeugen ist die integrierte Kühlung möglich. Arno Werkzeuge empfiehlt dafür seinen AWL-Linearschlitten und das AFC-Schnellwechselsystem. Das zum Patent angemeldete Werkzeugaufnahmesystem AWL kann bis zu sechs Werkzeuge aufnehmen. Auf einen feststehenden Anschlag lassen sich die zu tauschenden Trägerwerkzeuge mit dem jeweiligen Schneideinsatz aufsetzen oder entnehmen. Zwei unabhängige Kühlkanäle im Werkzeugaufnahmesystem, die sich gezielt öffnen oder verschließen lassen, ermöglichen es, Werkzeuge mit und ohne Innenkühlung parallel einzusetzen. Anwender berichten auch hier über Standzeiterhöhungen jenseits von 25 Prozent.
Man muss also beim Kühlen nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Es lohnt sich, Werkzeuge mit Innenkühlung einzusetzen, wo immer es geht. Wenn sich zudem ein Werkzeughersteller wie Arno findet, der die Fertigungssituationen der Anwender versteht und sich schon viele Gedanken über die Prozesse gemacht hat, kann dies der Produktivität einen veritablen Schub geben. Und das auch ohne Bazooka.
Hersteller
Der 1941 von Emil Arnold gegründete Werkzeughersteller Arno Werkzeuge Karl-Heinz Arnold GmbH wird in dritter Generation von den Eigentümern geführt. Mit großer Fertigungstiefe, eigener Entwicklungskompetenz und globalen Vertriebsstrukturen entstehen moderne, leistungsfähige Werkzeuge zum Kurz- und Langdrehen, Stechen, Drehen, Bohren und Fräsen. Ein Spezialgebiet sind geschliffene, hoch positive Wendeschneidplatten für anspruchsvolle Fertigungsaufgaben mit der laut Arno weltweit größten Programmvielfalt. Gemeinsam mit Kunden entstehen individuelle Werkzeuglösungen, die zu Standards werden. Mit über 200 Mitarbeitern am Stammsitz in Ostfildern und in sechs Niederlassungen sowie an vielen Vertriebsstandorten weltweit setzt das Traditionsunternehmen auf Kundennähe. Zuletzt erzielte Arno einen Jahresumsatz von rund 57 Millionen Euro.
ARNO Werkzeuge Karl-Heinz Arnold GmbH 73760 Ostfildern Tel. +49 711 34 802-0 www.arno.de