Innovations- und Techniktage ‘InDays4‘ von Ingersoll Werkzeuge

Ganze Bandbreite des Spanens

Mit 4529 geladenen Fachbesuchern auf den InDays4 in Haiger sehen die Toolspezialisten von Ingersoll Werkzeuge ihr Konzept bestätigt, die ganze Bandbreite der Zerspanung täglich in ihrer komplexen, umfassenden Prozesskette auf vielfältige Weise in der Praxis darzustellen.
Fachartikel
von Frank Pfeiffer
21. Juli 2023
1
Opulent zeigt sich die Fassade des Firmensitzes von Ingersoll Werkzeuge im hessischen Haiger. Innen erwartete die zu den InDays4 geladenen Fachbesucher eine Vielzahl von praxisnahen Zerspanvorführungen© Hanser
Eine komplette Woche lang und zumeist mit strahlendem Sonnenschein begrüßten die Präzisionswerkzeug-Profis von Ingersoll Werkzeuge ihre Fachbesucher zu den Innovations- und Techniktagen namens ‚InDays4‘ am Firmensitz im mittelhessischen Haiger. Es war die vierte Auflage der InDays4, und am Ende des 16. Juni 2023, des letzten von vier ereignisreichen Tagen im Zeichen der Zerspanung, konnten die Veranstalter auch das Event dieses Jahres als einen „vollen Erfolg“ werten.
4529 geladene Fachbesucher bestätigten Ingersoll zufolge die hervorragende Qualität der Veranstaltung, auf der Ingersoll Werkzeuge − Teil der weltweit agierenden IMC Group − mit 43 Partnerunternehmen auf 20 Werkzeugmaschinen die Zerspanung von 23 sehr unterschiedlichen Praxisbauteilen und fünf Prozessketten vorführte. Außerdem wurden den Gästen 44 Fachvorträge (elf je Tag) über die unterschiedlichsten Themengebiete präsentiert.

In Zeiten des Personalmangels steht die Automation im Fokus

Fünf Jahre waren seit den letzten derartigen Technologietagen vergangen; nun haben den Organisatoren zufolge die InDays4 eindrucksvoll gezeigt, wie sehr sich die Anforderungen seither verändert haben. Als bezeichnend werten sie, dass 80 Prozent der ausgestellten Maschinen automatisiert betrieben wurden. Die Lösungen variierten von kleineren Maschinen mit einfachen Greifern oder Stangenladern bis hin zu großen Bearbeitungszentren mit vollautomatischem Palettenwechsler.
Beim ausgewählten Teilespektrum unterschiedlicher Komplexität dürfte für jeden Besucher etwas dabei gewesen sein: Dreh- und Frästeile, Schmiedegesenke, Verzahnungen diverser Größe, Aerospace-Bauteile aus Titan und Aluminium, Automotive-Komponenten aus Aluminium, Gusswerkstoff oder Stahl, Instrumente für die Medizinindustrie und anderes mehr. Zerspant wurden im 30-Minuten-Takt reale oder etwas modifizierte Kundenbauteile. Insgesamt gab es 384 Live-Maschinenvorführungen (96 je Tag) innerhalb der vier Veranstaltungstage.
So vielfältig wie die Branchen waren die Präzisionswerkzeuge, die man in Haiger begutachten konnte. Deutlich gemacht wurde auch, wie sich diese in Prozessketten integrieren lassen© Hanser
Ein klarer Schwerpunkt der diesjährigen InDays4 waren die Prozessketten. Schon 2018 hatte Ingersoll anhand eines Beispiels aufgezeigt, welche Schritte vom Auftragseingang über die Konstruktion, die NC-Programmierung und die Produktion bis hin zur Qualitätskontrolle exakt geplant werden müssen, damit alles reibungslos funktioniert.
Auf den InDays4 2023 wurden nun gleich fünf Prozessketten demonstriert, womit man den Fokus auf Automatisierung und Digitalisierung unterstrich. Die Prozessketten sind praktikable Beispiele, wie eine Optimierung der Prozesse aufgebaut werden kann. Erklärtes Ziel ist laut Hersteller eine 24/7-Produktion für kleinste und mittlere Losgrößen, die an 365 Tagen im Jahr läuft.
Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei der Qualität der Daten zu, betont man in Haiger. Wenn sie nicht gut ist, laufe auch die Prozesskette nicht ‘sauber‘. Eindringlich wurden den Besuchern Details vermittelt, auf die es dabei ankommt, etwa die sorgfältige Dokumentation von Lagerplatz und Zustand eines jeden Werkzeugs und die Rückmeldung aller im Prozess vorgenommenen Änderungen ins System.

Aktuelle Werkzeugtrends wurden den Gästen vorgeführt

Ingersoll nutzte die InDays4 auch dafür, den Besuchern aktuelle Werkzeugentwicklungen vorzustellen. So geht ein Trend hin zu kleineren Werkzeugdurchmessern sowohl für Vollhartmetallwerkzeuge als auch für solche mit Wendeschneidplatten. Kleinere Platten ermöglichen mehr Schneiden auf einem Grundkörper; das nutzt die besonderen Eigenschaften moderner dynamischer Maschinen aus. Damit werden höhere Drehzahlen und Vorschübe und zugleich eine verbesserte Prozesssicherheit möglich, die in einer automatisierten Fertigung unabdingbar ist.
Gemeinsam mit 43 zumeist namhaften Partnerunternehmen demonstrierte Ingersoll Werkzeuge auf 20 Maschinen die Zerspanung von 23 verschiedenen Praxisbauteilen© Hanser
Als einen weiteren Trend haben die Zerspanfachleute aus Haiger Werkzeuge aus dem 3D-Drucker thematisiert. Sie ermöglichen durch spiralförmige Kühlmittelzuführungen einen punktgenauen Kühlmitteleinsatz mit Hochdruck direkt auf die Schneide. Bionische Werkzeuge aus dem 3D-Drucker verblüffen mit enormer Gewichtseinsparung und damit wesentlich leichterem Handling.
Gegenstand der Diskussion war bei dieser Veranstaltung zudem die Arbeitswelt der Zukunft. Mitarbeiterwünsche nach besserer Work-Life-Balance oder der Vier-Tage-Woche lassen sich nur mit entsprechenden Automationslösungen umsetzen. Darüber bestand weitgehende Einigkeit. Es wurde auch demonstriert, wie eine Produktionsüberwachung per Tablet dem Maschinenbediener mehr Flexibilität verleiht. Als Quintessenz wurde jedenfalls deutlich: Für den klassischen Dreischichtbetrieb scheint die Zeit abzulaufen.

Trend zu eher kleinen Werkzeugen

Armin Engelhardt, Geschäftsführer von Ingersoll Werkzeuge, gab WB Werkstatt + Betrieb am Rande der Veranstaltung Auskunft über die aktuelle Marktsituation und die Positionierung seines Unternehmens im Markt unter den gegenwärtigen Bedingungen. Laut Engelhardt konnte der Hersteller im Geschäftsjahr 2021/2022 ein Umsatzplus von rund sieben Prozent erzielen und hat damit den Vor-Corona-Status erreicht.
Als starke Branchen erweisen sich ihm zufolge nach wie vor die Automobilindustrie und auch der Werkzeug- und Formenbau. Der Getriebebau für Windkraftanlagen frage stark nach, allerdings vorrangig im Ausland. Andererseits erzeuge der Trend zu elektrischen Antrieben eine steigende Nachfrage nach kleinen Getrieben, der man mit Werkzeugen bis hinunter zu Modul 0,5 mm entspricht.
Ingersoll-Werkzeuge-Geschäftsführer Armin Engelhardt: „Unser Kunde braucht einen Produktivitätszuwachs.“ Mit zeitgemäßer Werkzeugtechnik könne man diese Anforderung erfüllen© Hanser
Auch bei Fräswerkzeugen bestätige sich der Trend hin zu eher kleinen Durchmesserwerten, denn die Spindeln zeitgemäßer Werkzeugmaschinen arbeiteten mit hohen Drehzahlen, die eine Zerspanung mit hohem Vorschub erfordern. Ziel sei es zudem, die Automation bis hinunter zur Einzelteilfertigung umzusetzen; dies sei in einigen Fällen schon realisiert worden. Dann erledigt der Bediener an verketteten Maschinen nur noch Rüstaufgaben. Auch auf dem Weg zu einem geschlossenen Regelkreis, bei dem die Maschine auf selbsttätig gewonnene Echtzeitdaten aus dem Prozess unmittelbar mit einer Veränderung der Stellgrößen reagiert, sei man schon weit vorangekommen.
Im Gegensatz zu früher, als der Schwerpunkt stark bei Wendeplattenwerkzeugen lag, komme man nun auch gut bei Vollhartmetall-Werkzeugen voran und bediene quasi jede Branche mit hochwertigen Werkzeugen. „Unser Kunde kann sich kein billiges Werkzeug leisten; er braucht einen Produktivitätszuwachs“, so der Geschäftsführer.
Die Praxisnähe der mit den Partnern realisierten Vorführungen mit realen Bauteilen überzeugten, sodass ein Besuch in Haiger sicher als Gewinn empfunden wurde. Ein Resultat, das für die nächsten InDays4 einen noch stärkeren Zuspruch erwarten lässt.