Nachruf

Zum Tod von Wolfgang von Zeppelin

Mit Senator e.h. Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang von Zeppelin ist ein großartiger Mensch, begnadeter Ingenieur und der Inbegriff der Luftschifffahrt gestorben.
7. Mai 2024
Senator e.h. Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang von Zeppelin ist am 22. April verstorben© privat / Ganiyusufoglu
Autor: Prof. h.c. Dr.-Ing. Ömer Sahin Ganiyusufoglu
Senator e.h. Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang von Zeppelin ist am 22.4.2024 in Friedrichshafen im Alter von 88 Jahren gestorben. Auf Grund seines prominenten Namens und seiner Leidenschaft wird an von Zeppelin oft in Verbindung mit dem Luftschiff erinnert.

Pionier des deutschen Werkzeugmaschinenbaus

Geboren 1936 gehörte er allerdings bis zu seiner formalen Pensionierung zu den Pionieren des deutschen Werkzeugmaschinenbaus und hat mit seinen bahnbrechenden Visionen und Beiträgen auf jeden Fall einen wichtigen Platz in den Büchern nicht nur der deutschen Technikgeschichte.
Wie so oft im Ländle üblich, macht er 1953 bis 1957 bei einem Werkzeugmaschinen-hersteller, in diese Fall bei der Firma Heller in Nürtingen, eine Lehre als Maschinenschlosser.
Ihr folgte 1957 bis 1961 das Studium des Maschinenbaus in der damaligen Staatlichen Ingenieurschule Esslingen, der späteren Fachhochschule Esslingen und der heutigen Hochschule Esslingen. Eingebettet in die hervorragende, vielfältige Industrielandschaft Baden-Württembergs hat diese Schule in den Nachkriegsjahren hervorragende, praxisorientierte Ingenieure hervorgebracht, die dem beachtlichen industriellen Aufschwung Deutschlands beigetragen haben.
Nach dem Studium trat von Zeppelin 1961 als Konstrukteur in die damalige Firma Hermann Traub ein, einem namhaften Hersteller von Drehautomaten. Diese Liaison dauerte 35 Jahre lang, bis er sich mit seiner Pensionierung 1996 verabschiedete und von da an sich dem Luftschiff widmete.

Vollblutingenieur mit wegweisenden Visionen

Wolfgang von Zeppelin war ein Vollblutingenieur. Die Werkzeugmaschinen, die seinen Berufsweg Jahrzehnte geprägt haben, werden in der Fachwelt als ‘Muttermaschinen‘ bezeichnet. Alles, was nicht von der Natur kommt, hat bei der Entstehung am Anfang eine Werkzeugmaschine. Ein starkes Industrieland braucht also auch eine starke, innovative Werkzeugmaschinenindustrie, um eine global wettbewerbsfähige Position zu haben.
Mit seinen herausragenden Ideen, Entwicklungen und Visionen hat von Zeppelin wesentliche Beiträge zur Stärkung und Weiterentwicklung des deutschen Werkzeugmaschinenbaus im Bereich des Drehens beigetragen.
Zu seinen wegweisenden Errungenschaften gehören die weitsichtige, konsequente Einführung und Vermarktung der NC-Technik, die Automatisierung, kompromisslose Kundenorientierung mit in sich geschlossenen Systemlösungen oder auch CIM (Computer Integrated Manufacturing).

Mit Innovationspreis ausgezeichnet

Bahnbrechend in der Technikgeschichte ist seine Initiative ‘Integriertes grafisch-interaktives Programmiersystem IPS für Werkzeugmaschinen‘, für das er 1988 den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft verliehen bekam.
Das System wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik IWF der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Günter Spur entwickelt. Es war ein Quantensprung beim Produktionsprozess, da bei seiner Anwendung die Arbeitsvorbereitung und die Rüstzeiten erheblich reduziert werden konnten. Der Maschinenbediener, der eine wichtige Verantwortung für Produktivität, Prozesssicherheit und Qualität übernimmt, brauchte keine umständliche Programmiersprache mehr zu lernen. Mit Hilfe einfach erlernbarer Piktogramme konnten die Informationen von der Zeichnung direkt in die Maschinensteuerung übertragen werden. Der Maschinenbediener wurde in die Lage versetzt, seine Erfahrung und seine Kreativität stärker in den Bearbeitungsprozess einzubringen. Im Rahmen der damaligen staatlichen Förderschwerpunktes ‘Humanisierung des Arbeitslebens‘ war das IPS somit ein Meilenstein zum Wohle und zur Förderung der Menschen im Fabrikbetrieb.

Bodenständig und nahbar

Trotz seiner fachlichen Dominanz und Prominenz in mehreren Hinsichten war und blieb von Zeppelin ein bodenständiger Mensch. Ellenbogen, Arroganz, Allüren, Größenwahn waren ihm fremd. Er hat nie die Konfrontation, sondern die Harmonie, das Einvernehmen gesucht. Er war für jeden nahbar. Sein freundliches, ihm zu eigenes Lächeln, die Musik in seinen Worten konnten jedes Eis brechen. Dank seines Intellekts waren die Unterhaltungen mit ihm für jedermann eine Bereicherung. Er wurde immer gesucht.
Unterstützung junger Menschen lag ihm sehr am Herzen. So hat er Schüler und Studenten mit Hingabe gefördert. Für sie hatte er immer Zeit. Er konnte Talente erkennen und sie ihren Fähigkeiten entsprechend einsetzen. Er war fordernd und fördernd, dabei hat er sich am wenigsten geschont, beim persönlichen Einsatz ist er an die Grenzen seiner Gesundheit gegangen.
Er hatte vor der Wissenschaft großen Respekt. Folgerichtig hat er mit mehreren Universitätsinstituten in Deutschland zusammengearbeitet, nicht nur um neue Produkte zu kreieren, sondern auch um seine Entwicklungen einer wissenschaftlichen, kritischen, objektiven Beurteilung zu unterziehen.
‘Seiner‘ Staatlichen Ingenieurschule Esslingen blieb er bis zuletzt treu. Er hat sie stets gefördert. Für seine Verbundenheit wurde ihm 1993 durch die Hochschule für Technik Esslingen die Würde eines ‘Ehrensenators‘ verliehen.
Mit all seinen beschriebenen Eigenschaften war Wolfgang von Zeppelin für die damalige urschwäbische Firma Hermann Traub, die später Traub Drehmaschinen GmbH und ab 1986 Traub AG hieß, ein Gewinn. Während seiner Zeit und mit seinen Innovationen entwickelte sich die Firma Traub zu einer Perle des deutschen Werkzeugmaschinenbaus und genoss Weltgeltung.
Nicht nur Deutschland, sondern auch die ganze Fachwelt verliert eine Ausnahmepersönlichkeit. Seine Hingabe, seine Visionen und seine Maxime, immer ‘Mensch zu bleiben‘, mögen der Leuchtturm für junge Generationen sein und viele Nachahmer finden.
Ruhe in Frieden, Wolfgang von Zeppelin!
Über den Verfasser
Prof. h.c. Dr.-Ing. Ömer Sahin Ganiyusufoglu
war von 1985 bis 1989 Hauptabteilungsleiter ‘Systemtechnik‘ bei der Firma Traub Drehmaschinen GmbH, ab 1986 Traub AG. Er blieb mit dem Verstorbenen bis zu seinem Tode in tiefer Dankbarkeit freundschaftlich verbunden.