Strategie

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Fastems, ein Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Fertigungsautomatisierungslösungen spezialisiert hat, ist im Markt bestens etabliert. Gegenwärtig steht die Branche, bedingt durch die verschiedenen Transformationsprozesse in Energie, Mobilität und Digitalisierung, vor enormen Herausforderungen. Im Gespräch mit Sven Schewe, Vice President EMEA, beleuchten wir die aktuelle Situation.
5. Juni 2024
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Vice President EMEA Sven Schewe sieht in dem Zusammenspiel der Anwendungsberatung und der Soft- und Hardwarekompetenz von Fastems große Vorteile© Fastems
Das Interview führte Martin Ricchiuti
WB Werkstatt+Betrieb: Automatisierte Prozesse sind in der Fertigung schon lange das Mittel, um wettbewerbsfähig agieren zu können. Können Sie uns einen Überblick über die gegenwärtige Rolle von Fastems auf dem Markt für Fertigungsautomatisierung in der Region EMEA geben?
Sven Schewe: Der Markt für die Fertigungsautomatisierung ist für uns relativ stabil, auch wenn die übergeordneten makroökonomischen Zahlen vielleicht dagegensprechen und sich die Entwicklungen teilweise regional und in einzelnen Industriezweigen verschieben. Das liegt daran, dass das Thema Automatisierung etwa aufgrund des Fachkräftemangels und auch durch die Incentivierung diverser Förderprogramme weiterhin an Relevanz gewinnt. Wir sehen das aktuell in Italien, wo Automatisierung gemeinsam mit Themen wie Energieeffizienz durch spezielle Programme wie ‘Industria 5.0‘ gefördert wird. Für uns setzt sich der positive Trend in EMEA fort – für Fastems ist das vor allem Zentral- und Westeuropa –, was eher gegenläufig zu dem ist, was wir derzeit in Europa in den letzten Monaten an zurückhaltendenden Investitionstrends beobachten. Die Nachfrage hat sich vor diesem Hintergrund allerdings regional sehr unterschiedlich entwickelt. In Skandinavien ist sie sehr stark, in den Niederlanden und UK weiterhin positiv und in Südeuropa sowie Deutschland eher konstant.
WB: Welche Branchen sind besonders aktiv in der Implementierung von Automatisierung?
Schewe: Dazu zählt der Bereich Flugzeugbau, also alles in Verbindung mit Aerospace und Defense. Das sind die großen Wachstumstreiber, wie wir vielfach aus den Medien erfahren und zudem von unseren Kunden selbst hören. Hier werden für die nächsten Jahre extrem hohe Investitionsvolumina aufgerufen, wobei die Kunden aufgrund der geforderten hohen Präzision in der Fertigung natürlich besonders automationsaffin sind. Es ist daher selbstredend, dass wir als Marktführer für komplexe Automatisierungssysteme darin eines der größten Potenziale sehen.
„Damit die Investition sich auch in Zukunft rentiert, sind unsere Lösungen skalierbar und können daher mit dem veränderten Bedarf des Kunden wachsen“ © Fastems
WB: Der europäische Markt, insbesondere Deutschland, gilt als Vorreiter für technologische Innovationen und ist für seine hohen Qualitätsstandards bekannt. Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie in den einzelnen Regionen?
Schewe: Deutschland ist zwar Vorreiter, jedoch nicht mehr mit dem Abstand, den man vielleicht vor 15 bis 20 Jahren gesehen hat. Momentan betrachten wir eher die Benelux-Staaten, die Schweiz sowie Frankreich und Skandinavien als Vorreiter, weil sie sich mit dem Thema End-to-End-Automatisierung intensiv auseinandersetzen und sich in diesem Zusammenhang spezifische Beratungsleistungen von Experten wie Fastems sichern wollen. Insbesondere in den Niederlanden wollen immer mehr Kunden von uns gewissermaßen von der Pike auf beraten werden. Dieser immer stärker werdende Wunsch, sich vollumfänglich beraten zu lassen und somit den Fertigungsprozess im Detail zu analysieren, setzt sich aktuell mehr und mehr durch und führt im Endeffekt zu einer hochpräzisen, auf den Kundenwunsch im Detail abgestimmten Automatisierungslösung.

“Wir haben uns zu einem kompetenten Berater entwickelt, der seine Kunden noch intensiver unterstützt.”

— Vice President EMEA Sven Schewe

WB: Wie reagiert Fastems darauf?
Schewe: Wir haben unser Geschäftsmodell an die veränderten Marktbedingungen angepasst und beginnen nun mit der Umsetzung auf allen Ebenen. Dies beinhaltet unter anderem eine deutliche Verstärkung unserer Anwendungstechnik, die mit hohem regionalem Fokus ausgebaut wird. Dadurch gewinnen wir mit Personalstärke und viel Know-how in den Beratungsleistungen bei Anwendern, die hohe Anforderungen an die gesamte Prozessbegleitung stellen. Wir haben uns von einem reinen Anbieter von Automatisierungslösungen zu einem kompetenten Berater entwickelt, der seine Kunden noch intensiver unterstützt.
WB: Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Einführung von Fertigungsautomatisierung in verschiedenen Ländern und Regionen innerhalb von EMEA?
Schewe: EMEA besteht für uns aus drei Regionen: Westeuropa, Zentraleuropa und Osteuropa, wozu für uns die Linie von Polen bis Tschechien und Slowenien sowie alles, was östlich davon liegt, gehört. Gerade in Osteuropa, das seit Jahrzehnten die verlängerte Werkbank westeuropäischer, chinesischer und auch amerikanischer Unternehmen ist, stellen wir fest, dass es dort mittlerweile kaum noch günstige Fachkräfte gibt. Die Löhne haben etwa in Polen, Rumänien, Tschechien, Slowenien, aber auch in Ungarn ein Niveau erreicht, das die Unternehmen dazu veranlasst, immer mehr in Richtung Automatisierung zu gehen, teilweise auch getrieben durch die Mutterkonzerne aus Westeuropa und den USA. Wir haben uns angesichts dieser Trends in der Region strategisch neu positioniert und wollen uns nun auf ein Geschäft mit einer eigenen, angepassten Struktur konzentrieren, die uns durch unsere starke Präsenz in Mittel- und Westeuropa seit Jahren erfolgreich macht.
WB: Wie unterstützt Fastems seine Kunden bei der Integration von Automatisierungslösungen in ihre bestehenden Fertigungsprozesse und -anlagen?
Schewe: Ziel ist es, unsere Beratungsleistungen in puncto Prozess-Know-how noch weiter auszubauen. Wir setzen daher auf Anwendungstechniker, die insbesondere in der Zerspanung erfahren sind und somit über technologische Tiefenkenntnisse verfügen, jedoch darüber hinaus die Fähigkeit besitzen, ganzheitlich mit dem Kunden eine Automatisierungslösung zu entwickeln, die zum gesamten Fertigungsprozess passt. Damit ist also nicht nur die Automatisierung für lediglich eine Maschine gemeint, wie sie einige Hersteller ebenfalls anbieten, sondern eine Gesamtlösung für die Fertigung unserer Kunden, auch und insbesondere softwareseitig.
Eine besondere Stärke von Fastems ist die Integration von bereits bestehenden Maschinen in die Automatisierung und Digitalisierung. Die Lösungen sind kompatibel zu mehr als 90 verschiedenen Werkzeugmaschinenmarken © Fastems
WB: Könnten Sie uns einige Beispiele für erfolgreiche Implementierungen von Fertigungsautomatisierungslösungen von Fastems in der Region EMEA nennen?
Schewe: Wir haben eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Firma Rodin in den Niederlanden, die ebenfalls einen gesamtheitlichen Denkansatz zur Integration des Gesamtprozesses mit einer Intelligenz wie unserer Manufacturing Management Software (MMS) als Fertigungssteuerung verfolgen. Rodin hat ihren gesamten Business-Case gemeinsam mit uns hierauf ausgerichtet. Bei Rodin wird der Angebotsprozess über einen intelligenten Algorithmus automatisiert gesteuert. Der Kunde lädt hierzu seine CAD-Daten auf der Webseite des Unternehmens hoch und erhält dank Einsatz von KI innerhalb weniger Minuten ein Angebot. Akzeptiert der Kunde das Angebot, wird als einziger halbmanueller Bestandteil ein CNC-Programm erstellt, das mit weiteren Auftragsdaten aus dem ERP-System an unsere MMS übertragen wird, sodass der Fertigungsprozess mit unserem Automatisierungssystem und den daran gekoppelten Maschinen automatisch startet und von der Software überwacht wird. In kürzester Zeit lässt sich die Bestellung des Kunden somit fertigstellen und an den Versand übergeben. Flexible, kontinuierlich optimierte und intelligente Fertigung findet sich bei Rodin par excellence. Der gesamte Fertigungsprozess muss aus Sicht des Unternehmens vollständig automatisiert ablaufen, was sich auch in der sehr minimalistisch aufgestellten Personaldecke widerspiegelt. Für uns ist diese gemeinsam mit Rodin realisierte Lösung eindeutig ein Flaggschiff im Bereich der Automatisierung. Wir sehen ähnliche Ansätze des Automatisierungsgrades auch bei anderen Projekten, zum Beispiel mit Siemens Energy, bei Nilpeter, Norbert Kempf, Rolls-Royce und Cameron.
WB: Welche Rolle spielen Digitalisierung und Industrie 4.0 in den Automatisierungslösungen von Fastems?
Schewe: Digitalisierung und Industrie 4.0 sind im Grunde ja nichts neues. Durch unsere überaus leistungsstarke MMS zur automatisierten Planung, Steuerung und Überwachung der Fertigung sind wir eigentlich immer schon Industrie- 4.0-getrieben. Darüber hinaus erweitern wir unser Portfolio ständig und integrieren die gesamte Peripherie wie das Entgraten, Waschen, Messen von Teilen in die intelligente Automatisierung. Außerdem haben wir mit WCO, Work Cell Operations, ein MMS-Modul, mit dem wir auch nicht automatisierte Fertigungsprozesse und Stand-Alone-Maschinen digitalisieren können. Somit erhalten Kunden mit unseren Lösungen immer den gesamten Überblick über ihre Produktion und somit ein hohes Maß an Transparenz. Ein gutes Beispiel ist hier die Sistag AG in der Schweiz. Der Hersteller von Armaturen für die Wasserversorgung und Industrie nutzt unsere MMS als MES und bezieht hier auch ältere Maschinen ohne Netzwerkschnittstelle etwa mithilfe von Tablets mit in die gesamte softwaregesteuerte Fertigungsorganisation mit ein. In diesem Zusammenhang möchte ich nochmals betonen, dass eine besondere Stärke von Fastems unter anderem auch die Integration von bereits bestehenden Maschinen in die Automatisierung und Digitalisierung ist. Immerhin sind unsere Lösungen kompatibel zu mehr als 90 verschiedenen Werkzeugmaschinenmarken.

“Ziel ist es, unsere Beratungsleistungen in puncto Prozess-Know-how noch weiter auszubauen.”

— Vice President EMEA Sven Schewe

WB: Wie unterstützt Fastems seine Kunden dabei, die Rentabilität ihrer Investitionen in Fertigungsautomatisierung zu maximieren und langfristigen Erfolg zu erzielen?
Schewe: Wie anfänglich erwähnt, wollen wir uns weiter in Richtung Beratungsleistungen entwickeln, was den gesamten Fertigungsprozess involviert. Der Kunde kalkuliert ja seine Investition in Automatisierung im Hinblick auf die verschiedenen Vorteile, die sich hieraus für ihn ergeben, also beispielsweise höhere Liefertreue, Null-Fehler-Ansatz, mannloser oder mannarmer Betrieb von Maschinen etwa in den Nachtschichten und damit eine kostenoptimierte Produktion, einen höheren Durchsatz, geringere Stückkosten, mehr Transparenz und so weiter. Wir haben in diesem Zusammenhang mit Kunden einen ROI-Rechner entwickelt, bei dem der Business-Case im Vordergrund steht und wir ihn entsprechend beraten können. Auch im Hinblick auf eine Investition, die sich für die Zukunft rentiert, weil unsere Lösungen skalierbar sind und daher mit dem veränderten Bedarf des Kunden wachsen können. Hier gibt es mit dem neuen Flexible Pallet System, kurz FPS, von Fastems ein konkretes Beispiel einer Automatisierung, die jederzeit flexibel erweiterbar ist: von einer Maschine ohne Peripherie bis hin zur komplexeren Automatisierung mit mehreren Maschinen und der Integration zusätzlicher Prozesse, wenn man etwa in Richtung einer Fertigung von höheren Volumina plant.
WB: Welche Zukunftsvision hat Fastems für die Entwicklung des Marktes für Fertigungsautomatisierung in EMEA?
Schewe: Ganz klar die gesamtheitliche Betrachtung des Fertigungsprozesses im Zusammenspiel mit unseren Hardware- und Softwarelösungen. Wir wollen den Kunden mit unseren mehr als 40 Jahren Automatisierungs- und Fertigungserfahrungen als unabhängiger Berater und Partner für den gesamten Business-Case zur Seite stehen. Darauf richten wir unsere gesamte Struktur und Strategie aus. Sobald wir eine Anlage an einen Kunden geliefert haben, stehen ihm nicht nur unsere Anwendungstechniker zur Verfügung. In Deutschland stellen wir unsere Organisation derzeit dahingehend um, dass Kunden neben einem Vertriebsmanager als Ansprechpartner außerdem eine Art Lifecycle-Berater haben, der bei allen Fragen und Herausforderungen, die sich im Hinblick auf die Weiterentwicklung des bestehenden Systems ergeben, unterstützt.
WB: Vielen Dank für das Gespräch.
Information & Service

Hersteller

Fastems Systems GmbH
47661 Issum
Tel. +49 2835 92440
www.fastems.com